ERINNERUNGSKULTUR NACH DEM 9. NOVEMBER

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Artikel veröffentlicht: Saturday, 15. November 2014, 12:54 Uhr

KUSCHEL-ERBSCHAFT DER "ANTIZIONISTEN"

ERINNERUNGSKULTUR NACH DEM 9. NOVEMBER

Karl H. Klein-Rusteberg

Die Erbschaften jener Zeit, vor allem die "ideell" im Westen verbliebenen, wie der zwischen Linken und Islamisten so integrativ wirkende "Antizionismus", waren zum 25-jährigen Tag des Mauerfalls und der Erinnerung an das Novemberpogrom von 1938 am 9. November 2014 kein Thema. Vorherrschend, so deutet es auch der Kommentator Marko Martin im folgenden Beitrag an, war und verbleibt bis heute eine Art Kuschel-Nationalismus, der sich im Tränenpalast der Einheit selbst auf die gewaltfreie Schulter klopft. Frieden, für den nach wie vor weitestgehend (nicht mehr in dem Maße wie zu den Kalte-Kriegszeiten) andere den Kopf hinhalten, haben wir eben gelernt - da ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Eine unheilige Allianz derer, die den Zusammenbruch aller Weltordnung schlicht ignorieren bzw. mit Geldmitteln - bis in die ärgsten Terroristensümpfe hinein - zu verkleistern versuchen, setzt vor die Gewaltfreiheit erst dann das aktive Eingreifen, wenn wirklich alle Welt, bis hin zu anderen Dschihadisten, von den Massenmördern der IS sich davon hat überzeugen lassen, dass es so aber nun wirklich nicht geht.
 

Tausende kriegerische Angriffe auf Israel seit Jahrzehnten, vor allem durch Hamas, deren Charta die Auslöschung Israels zur hehren Verpflichtung eines jeden Militanten erklärt, gelten, abgesehen vom Empört-Sein, wenig. "Schlimm" sei das, aber die Abwehr durch Israel, die ist eben auch "schlimm", siehe besetzte Gebiete - ohne zu ahnen und ohne Interesse daran, dass wenn Hamas und Co. von "Besetzung" sprechen, das gesamte Territorium des jüdischen Staates gemeint ist. Die Gründung des jüdischen Staates "rückgängig" zu machen, das ist ihr gewaltiges Bestreben und der alles verbindende Kitt auch zwischen diversen islamischen Todfeinden. Doch der deutsch-europäische Frieden meint, da müsse man alle Seiten sehen und hören. Mit Distanz betrachtet kann einem das Hören und Sehen vergehen bei derartiger "Verantwortung".
 

Die sog. Äquidistanz ist eben auch eine nicht zu unterschätzende Erbschaft jener Zeit - Israel und Hamas als zwei "Konfliktparteien" mit gleichem Abstand im Geiste der von außen betrachtenden Friedfertigkeit zu beurteilen, wie einst entspannt zwischen "Ost" und "West" die Unterschiede der sog. Systeme zwar nicht untergingen, aber doch mächtig geschliffen wurden.
 

Kern des Lernens aus der Geschichte aber ist es, Unterschiede zu verstehen und sichtbar zu machen. Da haben wir in diesem Land und also in dieser Stadt erheblichen Nachholbedarf. Unsere "Erinnerungskultur" ist, universalistisch verkleidet, eine der Einebnung von Unterschieden - v.a. in der scheinbar alles nivellierenden Opferperspektive. Empathie sollte zur Erkenntnis führen. Diese geschichtlichen Erfahrungen seien von jenen anderen zu unterscheiden, statt sie mittels "Opfersicht" - für uns! - scheinbar gleich zu machen.
 

Um den 9. November in den Medien 2014 "bekam das Volk nur das zu sehen, was sichtbar sein sollte. Was nämlich war die Aufgabe all jener, die bereits ab 1987 von der Stasi entpflichtet und vom KGB übernommen wurden, um für alle kommenden Eventualitäten gerüstet zu sein?", schreibt Marko Martin. Da wir die deutsche Einheit nicht als nivellierende Urteilslosigkeit verstehen können, sind ihre Nachwirkungen auf unsere Haltungen, Einstellungen und Ideen ein verbleibendes Streitthema. Eine deutsche "Einheit" die sich in friedlicher Ignoranz erschöpft ist nicht erstrebenswert. Man kann nicht von Freiheit sprechen und sie bejubeln, wenn eigentlich nur öffentlicher Streit vermieden werden soll, was uns dann wiederum als innerer Frieden dargeboten wird. Da liegt ein Missverständnis in demokratischer Hinsicht in größerem Ausmaße vor......./.
 

DIE WELT
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article134309778/Auf-die-SED-Seilschaften-ist-noch-immer-Verlass.html
13. November 2014

DDR-Erbe
Auf die SED-Seilschaften ist noch immer Verlass
 

Zum 25. Mauerfall-Jubiläum gab es viel Geschichtskitsch und Scheinidylle. Warum fragt niemand mehr nach den Karrieren der Stasi-Kader nach der Wende und den verschwundenen SED-Milliarden?
Von Marko Martin
 

Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls brachten eine Art verqueres Pfingstwunder: Die Wiederauferstehung der Ostdeutschen als homogenes Kollektiv. Mochten sie einst unter Kamera-Augen noch so begeistert-befreit über die Bornholmer Brücke gelaufen sein – zuerst im Pulk, dann je nach Gusto individuell ins West-Berliner Großstadt-Labyrinth eintauchend – die Symbolkraft der Szenen wurde auch heuer wieder zugekitscht von Off-Stimmen, die nicht müde wurden, von "den" Ostdeutschen zu salbadern, die sich nun alle freuen, obgleich (jetzt mit etwas Moll) "Ost und West noch nicht völlig zusammengewachsen" sei.
Mit Verlaub: Wie lange sollen wir uns derlei Schwachsinn eigentlich noch anhören? Tatsache nämlich ist, dass damals Ostdeutsche vor anderen Ostdeutschen wegliefen, in Prag über Botschaftszäune sprangen, durch die Wälder an der ungarisch-österreichischen Grenze robbten oder in Dresden versuchten, auf die in Richtung Westen fahrenden Züge aufzuspringen, während der dortige SED-Chef (und heutige Linke-Ehrenvorsitzende) Hans Modrow auf eben diese Menschen seine Stasi-Schläger losließ.
In der idyllisierenden Rückschau scheint es dagegen, als hätten die nachfolgenden Montagsdemonstrationen der brutalen Staatsgewalt derart effizient getrotzt, dass diese sich dann ab dem 9. November in Luft und eitel Herbstsonnenschein auflöste.
Ach, wie die Konservenbilder lügen: Ein verwirrt-überforderter Günter Schabowski, ein schafsäugiger Grenzoffizier (bis zum 9. November immerhin ein beamteter potenzieller Mörder), der gnädig die Grenzbäume öffnet. Im Abspann zu solch rührenden Szenen ist dann zu lesen, dass die Betreffenden inzwischen Pensionäre sind. Mögen sie in Frieden ihre Legenden pflegen.
Wo aber ist dann das Heer der anderen abgeblieben, der Prügel-Vopos und ihrer Vorgesetzten, wo sind die Hunderttausende offizieller und inoffizieller Stasi-Mitarbeiter? Bei einigen weiß man es: Sie wurden brandenburgischer Ministerpräsident wie Manfred Stolpe alias "IM Sekretär", mischen noch heute im deutsch-russischen "Petersburger Dialog" mit wie Lothar de Maizière alias "IM Czerny", während jeder, der Gregor Gysi in Nähe des mandanten-verratenden "IM-Notar" bringt, von ihm sofort vor Gericht gezerrt wird. Es könnte deshalb sein, dass selbst ein Wolf Biermann geirrt hatte, als er letzte Woche im Bundestag die grimmig dreinschauende Linke-Fraktion als Gysi beschrieb. Es ist wohl eher die sichtbare Eisspitze der ethisch Elenden, die mit Täter-Chuzpe und Herrschaftswissen ab Mauerfall erst einmal richtig durchstarteten.

Zweite Garde gelangte an die Machttröge

Immerhin war genau dies "unseres Gorbi" (O-Ton Wowi, um im infantilen Duktus zu bleiben) ursprüngliches Projekt gewesen: Die uneinsichtigen Greise um Honecker & Co zu entmachten, um der zweiten Garde den Weg zu den Machttrögen frei zu machen.
Heute wissen wir, dass dies nicht ganz so funktionierte, und auf der Alexanderplatz-Demonstration vom 4. November 1989 (die medial ebenfalls bis heute verkitscht wird) die wie Versuchsballons auftauchenden Genossen gehörig ausgebuht wurden: Schabowski, Markus Wolf, Lothar Bisky.
Aber selbst da bekam das Volk nur das zu sehen, was sichtbar sein sollte. Was nämlich war die Aufgabe all jener, die bereits ab 1987 von der Stasi entpflichtet und vom KGB übernommen wurden, um für alle kommenden Eventualitäten gerüstet zu sein?
Wenn damals Moskaus smart gewordene Dunkelmänner sogar Biermanns Freund, den mit seiner Familie im West-Berliner Exil lebenden Dissidenten und Ex-Häftling Jürgen Fuchs, mit der Bitte um Kooperation anzusprechen wagten – bei wen allen werden sie es dann wohl noch versucht haben und, im Unterschied zur Anfrage bei Fuchs, womöglich mit Erfolg und Konsequenzen bis heute?
Wo hat die Linkspartei die SED-Milliarden versteckt?
Die Frageliste ließe sich schier endlos fortführen: Was ist mit dem nach Liechtenstein und in die Schweiz transferierten SED-Geld, von dem die ermittelnde bundesdeutsche Kommission nur einen Bruchteil sicherstellen konnte, der jedoch immerhin 1,6 Milliarden Euro betrug?
War das plötzliche Dahinscheiden des auskunftswilligen ehemaligen PDS-Finanzverantwortlichen Wolfgang Langnitschke im Februar 1998 wirklich ein zufälliger Unfalltod auf einem Zebrastreifen im beschaulichen Lugano?
Weshalb aber tauchen all diese Parteimafia-Fakten in den Medien nur ab und zu auf, voneinander isoliert und damit schnell vergessen? Weshalb hat sich bislang kein Dokumentarfilmer daran gemacht, diesen Gesellschaftskrimi ins Fernsehen zu bringen?

Ex-SED-Juristin führt den MDR

Vielleicht könnte man ja mal die MDR-Intendantin Karola Wille danach fragen, die als SED-Juristin noch im Sommer 1989 den bundesdeutschen Rechtsstaat als bourgeoises Possenspiel denunziert hatte, ehe auch für sie der große Karriereschub begann.
Wären dies nun alte Kamellen, rachsüchtige Fußnoten von vorgestern? Wohl kaum, denn sie sind ja bis heute mitten unter uns und prägen die Gesellschaft: Forsche Ex-SEDler als Lehrer im vermeintlich hippen Berliner Stadtteil Friedrichshain, die noch immer mit Verweis aufs "Klassenkollektiv" den Individualismus "ihrer" Kinder klein zu halten trachten. Alte Stasi-Leute in piekneuen Chefbüros ostdeutscher Arbeitsämter.
Bullige ehemalige LPG-Chefs als hektarschwere Landjunker in Mecklenburg-Vorpommern – im nach wie vor kleinteilig denkenden Westen macht man sich kaum eine Vorstellung davon. Erst als sich kürzlich die mit Russland verbandelten Wirtschaftsvertreter im ehemaligen MfS-Hotel „Neptun“ in Rostock-Warnemünde trafen, um Gerhard Schröder zu feiern und sich Strategien gegen die gegenwärtigen Sanktionen auszudenken, fiel es so manchem Beobachter auf: Sie sind ja wieder da.

Stasi-Student jetzt Burda-Manager

Dabei waren sie nie weg gewesen. Überdies spielen die Wichtigsten von ihnen längst in einer ganz anderen Liga. Der ehemalige Stasi-Offizier Matthias Warnig ist mittlerweile Geschäftsführer des Gas-Pipeline-Konsortiums Nord Stream. Noch im Oktober 1989 hatte er für seine Dienste von Erich Mielke eine Goldmedaille erhalten, im Herbst 2012 folgte dann der "Orden der Ehre" – aus den Händen Wladimir Putins.
Während Andreas Setzepfandt, Vizegeneraldirektor von Burda Russland und gleichzeitig Vizechef der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, einst sein Handwerk an der Stasi-Hochschule in Potsdam gelernt hatte, bevor er vom MfS mit "Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion" betraut wurde.
Nun denn ... Werfe also keiner all diesen cleveren Nachtigallen vor, sie würden nicht vernehmlich trapsen. Es ist lediglich die westliche Harmlosigkeit, die sie nicht zu hören vermag.

Marko Martin veröffentlichte soeben sein neues Buch: "Treffpunkt '89. Von der Gegenwart einer Epochenzäsur" (Wehrhahn Verlag)
 

 

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