DAS SCHLUCHZEN DES WEISSEN MANNES

Artikel veröffentlicht: 26.01.2015, 12:41 Uhr

"DAS SCHLUCHZEN DES WEISSEN MANNES"*
Karl H. Klein-Rusteberg
 

Während wir das nunmehr nahezu ewige Spiel namens Ist das Religion? Ist das Politik? Ist das Kultur? Oder wie oder was? als Endlosschleife in Medien, Talkrunden, mit und ohne Experten, mit Männern, Frauen und und und fortsetzen, im Hinblick auf den Islam, den es ja nicht gibt, weil es nur Islämer gibt, landen wir nicht selten dennoch scheinbar zielgenau bei der Vermutung, es fehle dem Islam an Aufklärung. Umgehend werden wir darüber belehrt, dass es auch diese islamische Aufklärung gegeben habe. Die nächste Runde ist damit also eingeläutet. Und wir vermuten, auch die neue Runde wird als intellektualistisches Nullsummenspiel enden.
 

Was wir mit all dem möglichst vermeiden wollen ist es, handeln zu müssen, bevor und obwohl wir nicht wissen (geschweige denn: erkennen), was "es" denn nun ist. Viele fliehen daher in individuelle und/oder demonstrativ-kollektive Ersatzhandlungen.
 

Es kann so weit gehen, dass dieses Ersatzhandeln ein ganzes Land mehr bewegt, als Tausende von Toten und Leichenberge, Massaker, Vergewaltigungen, Versklavungen, öffentlich sichtbare Köpfungen und Kastrationen (Tausenden Jungen wird in der Gewalt des "Islamischen Staates" am lebendigen Leib im Minutentakt ihr Penis abgeschnitten, die Jungen bluten sozusagen aus; wenn sie überleben können sie jedenfalls ihrer "Rasse" nicht mehr den Dienst der Fortpflanzung erfüllen - was ausdrücklicher Sinn dieses Wahnsinns ist). Also die Ersatzhandlungen, sozusagen als ein aufrechtes Kopf-in-den-Sand-stecken, sind derzeit wichtig bis beliebt. Wer also bedarf der Aufklärung?
 

Doch gerade wir wissen, dass Aufklärung nichts verhindert bzw. nicht linear zu Verhinderung des Bösen leitet. Womöglich hat ja auch ihre, der Aufklärung, "Dialektik" Millionen Juden als vollendete Sinnlosigkeit (Arendt) das Leben gekostet. Wozu? Was hatten sie getan? Um all diese aufgeklärten Nachfragen ging es nicht. Sie waren Juden - ihnen galt die Vernichtung, um der Vernichtung willen. Gar das ist als Erkenntnis nicht (mehr) originell, wenn auch wahr. Deshalb, also der Sinnlosigkeit wegen, kann es sein und ist es sogar nahe liegend, dass Lehren hieraus selbst zum Ersatz für die Unaufklärbeit dessen geraten, was seit Jahrzehnten der Holocaust genannt wird.
 

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Aufklärung braucht aber auch der vermeintlich so säkulare Palästinenser. Der Hochkonjunktur von Verschwörungstheorien begegnen wir nicht damit, dass wir die Unaufgeklärten bitten, doch mal statt der geglaubten, der wirklichen Wirklichkeit Aufmerksamkeit zu schenken. In langer Tradition verfestigt, Konflikte und Krisen nach außen abzuschieben (eine Variante des Ersatzhandelns), also aus dem "Haus des Friedens" diese Krisen dem "Haus des Krieges" (dem Haus der Ungläubigen) zuzuschieben, geraten alle Rationalitäten - mindestens - auf die Rutschbahn ihrer Selbstverachtung.


So ging es der schon bald nach 9/11 selbstverständlichen Annahme, es seien "die Juden", "die Zionisten", "die Amerikaner", die - um endlich den Krieg gegen die einzig wahren Gläubigen führen zu können, die Twin-Towers, das Pentagon und eigentlich auch das Capitol pulverisieren wollten, und dafür Tausende Tote in Kauf zu nehmen machtbesessen bereit waren.

Und nun also Paris. Die TIMES OF ISRAEL online berichtet am Montag, 26. Januar 2015, dass in der palästinensischen Zeitung der Autonomiebehörde al-Hayat al-Jadida, davon zu lesen ist, Israel habe die Pariser Ereignisse des Mordes an den Juden beabsichtigt und geplant, um mehr französische Juden zur Einwanderung nach Israel zu bringen. Der Glaube daran wird durch Umfragen empirisch "verifiziert" (die Möglichkeit der Falsifizierbarkeit geht vermutlich als bösartig eingestufte Rückfrage dann ins erwähnte Haus des Krieges, an uns also). Der folgende Artikel der TIMES OF ISRAEL hierzu. Der Alltagsspruch stimmt: dieser Wahnsinn hat Methode (und wird auch bei uns täglich beliebter).

Wir sollten sehr genau darauf achten - und das nicht aus moralischen Gründen, sondern um des Sinnvollen wegen - mit wem wir die Endlosschleife der Dialoge fortsetzen. Selbstverständlich gibt es die meist selbst erheblich, oft lebensbedrohlich angefeindeten Muslime, denen aufgeklärtes und selbstkritisches Denken selbstverständlich ist. Deren Islamophobie ist realistisch. Ein solcher Realismus würde uns intern ganz schnell in die Kennzeichnung der (Achtung: Ersatzhandlung!) "rechten Ecke" bringen. Meine muslimisch-aufgeklärten Moslem-Gesprächspartner jedenfalls üben seit Jahren "Islamkritik" in einer Weise, die sich der "weiße Mann", der aus seinem Schluchzen (Bruckner) über die eigene Verfehlungen der Missions-/Kolonial- und sonstigen Geschichte nicht hinauskommt, nicht einmal zu denken wagt. Denn schon der Gedanke daran, es könne doch so sein, wie es ist, ist uns, den weißen Männern wie Frauen, die Erbsünde. Und - Luther hin, Luther her - nach 1945 wollen wir alles sein, nur eins nie wieder: sündig. Und wenn wir es im alltäglichen Leben schon nicht vermeiden können, dann doch wenigstens im Großen und im Ganzen. Und im Schatten dieser verabsolutierten Schuldvermeidungskultur, geheiligt als die Lehre aus der Geschichte, häufen sich die Leichenberge.


Der amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr kämpfte im amerikanischen Protestantismus v.a. zwischen 1939 und 1941/42 für den Eintritt Amerikas in den Krieg in Europa gegen die Feinde der Zivilisation - dem Nationalsozialismus. Er wusste und sprach es aus, dass dieser Krieg auch die Unvermeidlichkeit in sich trug, Handlungen zu vollziehen, die gegen die eigenen fundamentalen Normen gehen würden, ja dass diese Normen in konkreten Situationen gar intendiert zu brechen seien. Er verfiel nicht in den gedankenlosen Reflex, damit würden die potentiellen amerikanischen Befreier so, wie die Nazis seien. Die potentiellen Befreier wurden aber auch nicht zu Heiligen. Die Verantwortung blieb, wurde aber angenommen, selbst in der angedeuteten ungeheuren Dimension des Bruchs eigener zivilisatorischer Maßstäbe um ihrer Rettung willen. Wem dazu nur das Stichwort des Freibriefs zum anything goes einfällt, ist vermutlich als geschichtsloser Idiot noch überaus human gekennzeichnet. Und wir? Heute? Wann nimmt das Schluchzen des sich selbst-bemitleidenden weißen Mannes endlich ein Ende?
 

*"Das Schluchzendes weißen Mannes" ist ein 1983 deutschsprachig erschienenes Buch des französischen Philosophen Pascal Bruckner. Als internationaler Klassiker der Kritik des Dritte-Welt-Denkkitschs ist dieses Buch in Deutschland kaum rezipiert worden.


Es folgt der Beitrag aus der TIMES OF ISRAEL:

TIMES OF ISRAEL

Most Palestinians think Israel involved in Paris attacks — poll

http://www.timesofisrael.com/most-palestinians-think-israel-involved-in-paris-attacks-poll/

Palestinian Authority newspaper writers claim Israel carried out attacks to drive French immigration
By Judah Ari Gross
January 26, 2015, 10:18 am

A poll conducted by the Palestinian Ma’an News Agency after this month’s string of terror attacks in Paris yielded a startling conclusion: the vast majority of respondents believe Israel may have played a role in the Paris attacks.
The survey, which was released last week by the official Palestinian Authority newspaper Al-Hayat al-Jadida, showed 84.4 percent of Palestinians, 5,142 of the 6,090 interviewed, believed that the attacks were “suspicious, and that Israel may be behind it.”
Only 8.7 percent of those interviewed thought the attacks were the result of growing Islamic fundamentalism in Europe.
The results of this poll are likely a disappointment to those hoping for a more moderate response from the Palestinian population, but it will not come as a surprise to readers of Al-Hayat al-Jadida. Since the attacks earlier this month, Palestinian Media Watch reported, the official PA media has been filled with conspiracy theories linking Prime Minister Benjamin Netanyahu, the Mossad and Jewish leaders to the Paris attacks.
Some of these op-eds have been more oblique, only implying a connection based on Israel’s benefiting from the terror attacks by way of increased immigration from France. Palestinian journalist Akram Atallah commented on “Panorama of the Hour,” a PA television program, that “The operation (i.e. the terror attacks) served Israel’s demographic [interests]… Government bodies predicted yesterday that 10,000 French Jews would immigrate to Israel.”
Others, however, have been direct and unequivocal in their blaming Israel for the attacks in France. “We have seen that terror[ists] have begun to receive training, weapons and perhaps intelligence from Israel,” Yahya Rabah, a columnist and member of the Fatah Leadership Committee in Gaza, wrote on January 11. He claimed the terror spree “was an [attempt to] target the role of France, which had [lately] begun to rise and assert itself” in December’s vote regarding Palestinian independence.
Muwaffaq Matar, a columnist for Al-Hayat Al-Jadida, discussed the rise of the Islamic State and anti-Semitism in Europe on January 15. Matar wrote that the latest attacks “raise legitimate questions as to who is behind these crimes, if not the Israeli Intelligence, given that ‘Netanyahu’s Jewish State’ was the only one to benefit from them.


Diese Seite wurde ausgedruckt von der Webseite der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Essen e.V.
http://www.christlich-juedisch-interessen.de